
E Scooter 500 Watt Dauerleistung: Die Grenze und was sie bedeutet
Mit der neuen Elektrokleinstfahrzeuge Verordnung dürfen E Scooter eine maximale Dauerleistung von 500 Watt generieren, oder von nicht mehr als 1400 Watt, wenn davon mindestens 60 % der Leistung zur Selbstbalancierung verwendet werden. Das heißt die verbliebenen 40% können hier zur Fortbewegung benutzt werden, was dann (bis zu) 560 Watt entspräche.
Was bedeutet aber Dauerleistung in Watt genau ?
Welche Auswirkungen wird diese neue maximale Größe auf die Fahrzeugentwicklung haben ?
Was wissen wir dazu aus dem Bereich E Bike ?
Wir werden nun die unterschiedlichen Aspekte beleuchten und kommen zu durchaus erstaunlichen Erkenntnissen…
Dauerleistung versus Spitzenleistung
Die Dauerleistung bezeichnet die Leistung, die ein Motor theoretisch beliebig lang erbringen kann (ohne unzulässig zu heiß zu werden). Wobei grundsätzlich generell erstmal gilt:
Watt = Volt x Ampere
Als (maximale) Nenndauerleistung bezeichnet man die höchste Leistung, die ein Motor in einem Zeitraum (von 30 Minuten) abgeben kann (Durchschnittswert bzw. Mittelwert der Leistung). Dabei müssen einige Punkte eingehalten werden: Die Temperatur darf z.B. einen bestimmten Wert nicht überschreiten. Die Nenndauerleistung ist also ein Durchschnittsleistung.
Einen weiteren Aspekt schieben wir etwas nach hinten: Die Dauerleistung ist eine “Nennleistung”, sie wird nicht von jemanden Dritten, sondern nach der Versuchsanordnung des Herstellers ermittelt, wenn man so will “genannt”.
Dem entgegen steht die maximale Spitzenleistung, die auch momentane Maximalleistung oder maximale Spitzenwattabgabe genannt wird. Andere Begriffe sind “Peak” oder “Peakleistung.” Die augenblickliche Leistung eines Motors ist hingegen nicht begrenzt oder definiert.
Rechtlich maßgebend ist allein die höchste Dauernennleistung, die unter “Laborbedingungen” vom Hersteller über einen Zeitraum ermittelt wurde. Laborbedingungen sind natürlich keine realen Bedingungen: Nässe, Kälte, Fahrtwind und vor allem Steigungen und Gefälle. Vor allem: Versuchsanordnungen sind in der Realität nie dieselben, sie ändern sich, bei jeder Fahrt. Sie werden bestenfalls simuliert, allerdings immer nach den Vorgaben des Herstellers, daher ja “Nennleistung”.
So haben die Hersteller bei der Ermittlung der maximalen Nenndauerleistung Motoren also einen sehr großen Ermessensspielraum.
Auswirkungen auf die E Scooter Fahrzeugentwicklung
Wenige E Scooter besaßen schon vor der Regelung einen Motor mit 500 Watt Dauerleistung. Zum Beispiel der Egret Ten V3.
Einige E Scooter leisten über 500 Watt. Wie zum Beispiel der EMicro Hawk. Dieser ist zwar noch nicht erschienen, wurde aber mit 700 Watt zumindest angekündigt. Diese werden nun gedrosselt.
Zukünftige E Scooter werden 500 Watt sicherlich als neue Obergrenze anstreben. Da aber die Größe des Motors und die Größe des Akkus einen erheblichen Einfluß auf das Gewicht haben werden, wird dieses zunächst primär für die Komfortklasse erwartet, wo es auf das ein oder andere Gramm nicht ankommt.
Langfristig ist davon auszugehen, das alle Hersteller dieses Potential versuchen werden auszuschöpfen, denn umso größer die maximale Dauerleistung desto größer auch die Möglichkeit die Spitzenwattabgabe maximal auszunutzen.
Wie wir oben gezeigt haben, ist letztlich maßgeblich für das subjektive Fahrgefühl, und vor allem die Beschleunigung, die Spitzenwattabgabe und nicht die Dauerleistung.
Erkenntnisse aus dem Bereich E Bike und Pedelec
Schauen wir uns den Bereich E Bike an. Dort können wir eine jahrelange Entwicklung beobachten. Der große Unterschied ist, dass Pedelec und S-Pedelec tretunterstützend und nicht selbstfahrend funktionieren. Das heißt:
Watt Motor + Watt Treten = Watt Gesamt
Die Entwicklung der E Bike Motoren ist dabei durchaus interessant. Als Beispiel nehmen wir die Entwicklung von Bosch Motoren: Der Bosch Classic Motor (Baujahr 2011 bis 2013 / 2014) wäre zu nennen, der auf 250 Watt maximale Dauerleistung eingestuft ist, aber gleichzeitig eine Maximalleistung (Spitzenwattabgabe) von ca. 550 Watt erreichen kann. Ein 250 Watt Bosch Performance Line CX Motor (Baujahr ab 2015) kommt im Fahrbetrieb inzwischen auf eine maximale Spitzenleistung von rund 850 Watt. Ein enormer Leistungsanstieg wurde somit vollbracht, bei gleichbleibender Dauerleistung. Wer beide E Bike Motoren schon gefahren ist, weiß das hier quasi Welten zwischen den beiden Motoren liegen.
Interessant ist hier auch ein Artikel aus der „E-MTB“ Printausgabe 03/18 August – Oktober: „Motoren im Test: Welcher Antrieb besteht im Kampf gegen den Hitzekollaps? Was passiert, wenn man mit Vollgas vom Tal bis auf die Gipfel rauscht? Packen das die Motoren, oder gehen sie thermisch in die Knie? Sieben Antriebe im Extremtest.“ (Quelle: E-MTB)
Es wurde hier nicht nach Versuchsaufstellung der Hersteller die Dauerleistung überprüft, sondern nach Praxis die Dauerleistung ermittelt. Sicherlich geschah das unter extremen Bedingungen, aber es waren nunmal auch E Mountainbikes, die gebaut und konzipiert sind für extreme Bedingungen.
Das Ergebnis des Tests: Die Durchschnittsleistung aller getesteten, sieben Antriebe im „Vollgas-Praxistest“ liegt bei 433 Watt über 28 Minuten (statt der geforderten 30 Minuten eine kleine Abweichung von 2 Minuten) – also weit über der offiziellen Nenndauerleistung von 250 Watt. (E-MTB 3/18, Seite 90 ff., „Motorleistung unter der Lupe“).
Das heißt, sieben Antriebe (der Marktanteil aller Hersteller der Antriebe dürfte in Deutschland allerdings auch über 90% liegen) haben im Durchschnitt im Praxistest bei langen, starken Steigungen und bei gleichzeitig recht hoher Hitzeentwicklung des Motors 73% mehr Dauernennleistung abgegeben als eigentlich gesetzlich erlaubt.
Die Aussage “gesetzlich erlaubt” stimmt natürlich nur bedingt, da die Ermittlung der Dauernennleistung die Hersteller, wie eingangs beschrieben, selber bestimmen können. Daher auch „Nennleistung”, weil sie nach eigener Aufstellung von den Herstellern genannt wird. Also alles im Bereich des Erlaubten… 🙂
Tipp: Auf Akkuline.de (hier) könnt Ihr mittels Angabe von Volt (Spannung) und Ampere-Zahl (Strom) die maximale Wattleistung bzw. die elektrische Leistung ausrechnen (W/Wh). Bei der „elektrischen Leistung“ handelt es sich um die physikalische Größe, die die in einem bestimmten Zeitraum umgesetzte elektrische Energie definiert.
Mehr Infos: EBikeTuningBlog
Das 500 Watt Fazit für E Scooter
Wir haben gesehen, dass die Obergrenze von 500 Watt Dauerleistung einerseits nun wichtig wird, da sie die gesetzliche, maximale Leistung beschreibt, andererseits jedoch für die tatsächliche Leistung eines E Scooter Motors eigentlich nicht primäre Aussagekraft besitzt. Die zukünftigen E Scooter werden diesen Spielraum immer besser ausnutzen, vor allem zunächst in der Komfortklasse. Aus dem Bereich E Bike / Pedelec können wir interessante Rückschlüsse ziehen und obige Erkenntnisse bestätigen.
Die Auslegung Leistung ist gleich Spannung x Strom ist hier einfach falsch.
Schon immer galten Leistungsangaben auf (Elektro)Motoren für die ABGEGEBENE mechanische Leistung.
Die aufgenommene elektrische Leistung ist dabei natürlich höher, abhängig vom Wirkungsgrad.
Bei Verbrennungsmotoren ist ja auch die abgegebene Dauerleistung angegeben, und nicht der maximalen Benzindruchfluss.