
Die größten E Scooter Irrtümer und Missverständnisse 2019 – 2022
Wir haben mal die größten Irrtümer und Missverständnisse zusammen getragen, die uns das Jahr 2019 begegnet sind und begleitet haben. Sozusagen eine Irrfahrt von der Illegalität in die Legalität. Sie werden bis in das Jahr 2022 hinein reichen und uns wahrscheinlich noch länger verfolgen. Los geht’s:
1) Es gibt einen E Scooter, den besten E Scooter
Wer sich im Internet, also in diesem Medium, umschaut, bekommt sehr leicht den Eindruck das es einen besten E Scooter geben könnte: Nämlich denjenigen, der eine Reichweite von mindestens 50 Km hat und in Nullkommanichts auf die erlaubten 20 Km/h beschleunigt, am besten noch per App ganz leicht einem E Scooter Tuning unterzogen werden kann und das alles noch mit einer enormen Federung und höchstens 14 Kg Gewicht… Aber auf jeden fall höchstens 700 Euro… Weit gefehlt.
Bei E Scootern kommt es letztlich auf den Einsatzzweck an. Die Bandbreite reicht von leichten E Scootern mit wenig Reichweite bis hin zu schweren E Scootern mit großer Reichweite. Je mobiler der Einsatz, desto leichter sollte der E Scooter sein. Je mehr der E Scooter für längere Strecken und als Fahrradersatz gedacht ist, desto schwerer wird das Fahrzeuggewicht sein. Dieses Kontinuum wird wohl immer bestehen. Ein differenzierter Blick ist also notwendig.
Wir stehen sicherlich noch ganz am Anfang der Fahrzeugentwicklung. Nach einer Welle von sehr günstigen E Scootern bei Discountern im Spätherbst 2019 werden im Frühjahr 2022 zum Saisonstart wieder hochwertige E Scooter auf den Markt kommen.
2) Die Wattangabe gibt die reale Leistung an
Die Wattangabe Dauerleistung beschreibt immer zuerst die Dauer”nenn”leistung eines Motors. Manchmal wird sie auch Nenndauerleistung genannt. Sie wird vom Hersteller “genannt”. Mit dem Zusatz “Dauer”, und darauf kommt es jetzt an, ist die Durchschnittsleistung über einen bestimmten Zeitraum gemeint. Diese Leistung ist maximal auf 500 Watt reglementiert, möchte man legal fahren. Auch darüber haben wir schon ausführlich berichtet.
Die maximale Spitzenleistung hingegen ist nicht begrenzt. Sie drückt die momentan mögliche Leistungsentfaltung des Motors aus: Ampere mal Volt gleich Watt. Wieviel Leistung tatsächlich auf die Fahrbahn gebracht wird, ist nochmal eine andere: Abgezogen werden müßten Faktoren wie Wirkungsgrad (Wärmeentwicklung),… Vor allem aber auch eins: Wie wird die Kraft auf die Fahrbahn umgewandelt. Umso kleiner der Reifen, desto besser wird zum Beispiel der Drehmoment umgesetzt. Es spielen also viele Faktoren eine Rolle.
3) Warum die Angabe der Reichweite niemals korrekt ist
Die maximale Reichweite wird immer unter Idealbedingungen ermittelt: Ein 75 Kg schwerer Fahrer beschleunigt auf 15 Km/h und hält diese konstant. Kein Fahrtwind, keine Beschleunigungen, kein Bremsen, keine Steigungen oder Abfahrten und genormte Reibungsflächen. Nur so kann man überhaupt vergleichen. Theoretisch könnte man auch auf die Amperestunden und Größe des Akkus schauen. Dieses gibt dem geübten Beobachter auch einen ersten Eindruck. Da aber hier unterschiedliche Faktoren noch hinzukommen, soll die Reichweitenangabe ein besserer Anhaltspunkt sein. Nur darf man sich nicht wundern, wenn bei einem E Scooter der eine maximale Reichweite von 30 Km hat, nachher eine realistische Reichweite von ca. 15 bis 20 Km im Fahrbetrieb gemessen wird. Je nach Fahrergewicht, Fahrweise und Terrain (Untergrund, Steigungen,…) kann diese dann sogar noch stärker variieren.
4) Ein Wechselakku ist auf jeden Fall besser als ein fest verbauter Akku
Wechselakkus kommen derzeit langsam in Mode. Immer mehr Modelle bieten auch abnehmbare Akkus an (Hersteller: Go!mate, Trekstor, Micro). Das ist ganz praktisch wenn der E Scooter im Hausflur im Erdgeschoss oder im Auto oder Garage bleiben soll und man den Akku in der (warmen) Wohnung aufladen oder lagern möchte. Doch Vorsicht, generell gilt: Ein Akku der von seinem Fahrzeug getrennt wird, fällt bei einem Schaden, normalerweise nicht mehr in die Hausratversicherung, da es sich um Sondergefahrgut handelt, sobald man den Akku vom Fahrzeug löst.
5) E Scooter tragen nichts zur Verkehrswende bei
Die Medien sind voll von vorläufigen Zwischenbilanzen oder endgültigen Faziten, ob und wie nun die E Scooter sinnvoll sind oder nicht. Häufig wird hier ohne entsprechendes Fachwissen ein Resultat bzw. Schlagzeile gesucht, die einer Überprüfung kaum standhält. Dem Feuilleton fehlt einfach das Fachwissen. Wir sind noch ganz am Anfang einer Entwicklung und verglichen mit einem 100 Meter Lauf vielleicht bei Meter 2 angelangt. Das Rennen ist noch lange nicht gelaufen.
Wie hat man 1887 über das Automobil berichtet, nachdem Carl Benz 1886 sein „Fahrzeug mit Gasmotorenbetrieb“ zum Patent anmeldete ? Hat man annähernd das Potential damals absehen können ?
Es kommt immer drauf an was man substituiert: Den Weg zu Fuß aufzugeben oder das Fahrrad stehen zu lassen hilft nicht bei der Verkehrswende. Jedoch wissen wir das ein Großteil der Autofahrten im urbanen Bereich überwiegend Kurzstrecken sind. Das Potential ist also vorhanden. Die neueste Mc Kinsey Studie gibt darüber Aufschluss. Es gab auch schon vorherige Studien aus den USA. Nur Zahlen aus den USA sind schlechte Argumente, da umgehend die mangelnde Vergleichbarkeit ins Feld geführt wird.
6) E Scooter gleich Verleihscooter
Es muss noch einmal gesagt werden, so simpel es auch ist: Es gibt nicht nur Leihscooter! Gekaufte E Scooter sind nicht gleichzusetzen mit den Leihscootern der Sharing Anbieter. In jedem zweiten Fazit zum Thema E Scooter wird dieser grundlegende Fehler der Gleichsetzung begangen. Die Nachhaltigkeit ist eine ganz andere. Der Einsatzzweck variiert vom temporären Urlaubsgefährt bis hin zum täglichen Alltagsbegleiter. Einen Leihscooter können Sie nicht mit dem Wohnmobil in den Urlaub nehmen. Die Liste ist länger, der Beweis ist aber schon erbracht. Wenden wir uns schnell dem nächsten Punkt zu.
7) Das Internet ist die beste Entscheidungshilfe
Natürlich sind Informationen aus dem Netz unerlässlich (wie vielleicht diese), denn es gibt im Grunde nur ein paar Fachhandelsgeschäfte in Deutschland und auch keine Fachzeitschriften. Die Informationsdecke ist also recht dünn. Selbst E Scooter Tests sind mit erheblichen Mängeln ausgestattet. Abgesehen davon sind die meisten Testberichte über E Scooter im Netz meist nichts anderes als umgeschriebene Produktbeschreibungen. Das Internet ersetzt Testfahrten nicht und eine Fachberatung vor Ort. Gerade die Handhabung und der Fahrbetrieb des E Scooters kommt individuell sehr unterschiedlich an. Suchen Sie also eines der wenigen Fachgeschäfte auf und testen sie, zur Not auf Leihscootern (auch wenn diese mit 24 Kg weit weg von den meisten Kaufmodellen sind), bei Freunden und wo sich sonst noch Möglichkeiten ergeben.
8) Den Akku sollte man erst laden wenn er alle ist
Der Akku soll in einem Ladebereich von 30 bis 80 % der Akkukapazität gehalten werden, so eine landläufige These. Gegen diese Regel gibt es aber auch Kritik. Vielleicht wieder so ein Missverständnis und Irrtum!? Ein Honey Pot für unsere Facebook Gruppe.
9) Der ADAC oder der ADFC vertritt die Interessen der E Scooter Fahrer
Mitnichten. Während sich der ADAC nach außen recht neutral gibt, vertritt der ADFC nur die Interessen der Fahrradmitglieder. Als Alternative bietet sich der Bundesverband für Elektrokleinstfahrzeuge Electric Empire an.
10) Alkoholkonsum ist egal auf dem E Scooter
Nein. Alkohol- und Drogenkonsum ist auf dem E Scooter sehr gefährlich, da man sehr leicht im berauschten Zustand die Kontrolle über den Lenker und damit das gesamte Fahrzeug verlieren kann. Alkohol- und Drogenkonsum kann zum Führerscheinentzug und zu sehr empfindlichen Strafen führen.
11) Ein E Scooter fährt sich wie ein Fahrrad oder wie ein Tretroller ohne Motor
Nein. Zumeist beschränkt sich das Antreten beim E Scooter das Aktivieren des Motors. Ein durchschwingender Tretroller Modus ergibt sich bei einigen neueren E Scooter Modellen wie dem E Micro M1. Sie lassen sich auch noch wie normale Tretroller treten.
Wichtig ist auch die Position des Trittbretts in Relation zur Achsenmitte. Tretroller ohne Elektromotor haben zumeist ein tiefliegendes Trittbrett. Das erhöht die Stabilität beim Fahren. Umso höher das Trittbrett liegt (weil der Akku meist dadrunter muss), umso höher muss die Fahrgeschwindigkeit sein, um durch den gyroskopischen Effekt (Kreiselkräfte) die Fahrstabilität zu erhöhen.
Auch über das Thema “Richtig E Scooter fahren” haben wir bereits vor geraumer Zeit ausführlich berichtet.
12) Gesetzliche Bestimmungen sind nicht wichtig
Nein, sie sind wichtig. Die wichtigste Regel die uns immer wieder gefragt wird: Erst ab 14 Jahren.
13) Die Forderungen der E Scooter Lobby sind nun erfüllt
Nein, sie sind es nicht. Noch immer haben Mono Wheels, One Wheels, E Skateboards, Hooverboards, und andere Fahrzeuge keinen legalen Zugang zum Straßenverkehr. Damit wird ein großer Teil der Elektrokleinstmobilität ausgeschlossen.
Wem fallen noch Punkte auf ?